1968 ist ein Jahr der Widersprüche – Aufbruch und Ende, neue Ideen und alte Seilschaften treffen aufeinander. Überall in Europa protestieren die Studenten und überall tut sich die Staatsmacht schwer mit den Menschen, die ihren Unmut äußern. Im Ostblock will man mehr Demokratie wagen, aber die Sowjetunion beendet zarte Pflänzchen wie Alexander Dubčeks „Prager Frühling“ mit Waffengewalt. In Vietnam regnet es Gift, und die Hippies verlieren ihre Illusionen. Musikalisch treffen in Deutschland das junge, holländische Muttersöhnchen Heintje und das weiße Album der Beatles zumindest in den Charts aufeinander. Im Kino wird aufgeklärt – ohne, dass an Geschlechterrollen wirklich gerüttelt wird. Die Autoindustrie legt derweil die Weichen für das nächste Jahrzehnt – der „Bombast“ der Vergangenheit weicht endgültig klaren Formen.
1968 – das Jahr des Mercedes „/8“
Eigentlich wird die erste Miniserie bereits 1967 ausgeliefert, aber die „offizielle“ Erfolgsgeschichte des Nachfolgers der „Heckflosse“ beginnt 1968. Deshalb wird die Baureihe W114/115 landläufig auch „/8“ genannt. Der sachliche Mittelklasse-Benz ist so beliebt, dass von ihm knapp zwei Millionen Exemplare verkauft werden. Es ist überhaupt der erste Mercedes, der die Millionengrenze überspringt, beziehungsweise überfährt. Bis 1976 bleibt der „/8“ im Programm, wird als Diesel zum wichtigsten Fahrzeug der Taxiunternehmen, schafft als 250 oder 280 die Verbindung zur gehobenen Mittelschicht – um später als Lieblingsgebrauchtwagen der linken Szene zu fungieren. Heute ist dieses vom begnadeten Designer Paul Bracq entworfene Fahrzeug ein Klassiker, dem man das Alter wirklich nicht ansieht. Es entzog sich schon anno 1968 dem Zeitgeist und seiner modischen Verirrungen.
1968 – der Wartburg wird Transporteur
Die damals sehr modern gestaltete Limousine Wartburg 353 wird bereits 1966 vorgestellt. Optisch ansprechend, technisch aber immer noch mit dem Zweitakter der Vorgängermodelle ausgestattet, zeigt sich auch der Kombi. Der „Tourist“ ist aber auch praktisch – und deshalb in der DDR sehr begehrt. Denn 1,8 Kubikmeter Ladevolumen auf 1,9 Metern Länge prädestinieren das Auto für den Alltag von Handwerkern und Gewerbetreibenden. Wem der Barkas zu groß ist, der findet im Wartburg-Kombi das ideale Fahrzeug. Wenn er darauf warten kann. Der Name „Tourist“ ist Programm, denn damit lässt sich leicht nach Ungarn oder in die CSSR in Urlaub fahren – und das sogar als Gespann: Der 45 PS starke Wagen darf bis zu 650 Kilogramm ziehen.
1968 – die globale Sänfte aus Frankreich
Die Heckflossen des Vorgängers 404 sind passé, der Peugeot 504 ist ein ganz neues Auto. Entworfen im Studio von Pininfarina zeigt es sich elegant und doch praktisch. Cabrio- und Coupé-Versionen sind wunderschön, aber auch die Limousine ist ein dezenter Hingucker. Zuverlässig ist der im Segment etwa von Mercedes „/8“ wildernde Peugeot auch. Man fährt, wie Gott in Frankreich: Weich und komfortabel gibt sich der 504, er federt einfach alles weg. Es kann auch was vertragen. Deshalb wird das Auto in Frankreich bis 1983 gebaut. In Kenia, Nigeria, Argentinien oder China läuft es sogar noch länger vom Band: Die letzten 504er werden 2005 produziert, in Kairo ist das Auto als Taxi immer noch Teil des Straßenbildes. Pick-Ups und Kombis sind allerdings meist schon lange vom rauen Alltag verschlissen.
1968 – den darf es eigentlich nicht geben
Eigentlich hat VW der neu zum Konzern hinzugekommenen Auto Union verboten, eigene Modelle zu entwickeln. Was produziert wird, war schon vorhanden. Aber Ludwig Kraus, seinerzeit technischer Direktor in Ingolstadt, hält sich nicht an die Order. Heimlich entwickeln sein Team und er den „großen Audi“. Der Audi 100 wird in Wolfsburg vorgestellt – und überzeugt sogar den Konzernchef Heinrich Nordhoff. Das Auto ist elegant, nicht zu verspielt und sehr modern. Es gibt die Formensprache von Audi vor – und schafft den Einstieg der Marke in die obere Mittelklasse. Die Top-Variante hat 112 PS, was 1968 auch für Überholprestige sorgt. Dass der Motor noch ein Vermächtnis aus der Verbindung mit Mercedes ist – geschenkt. Der Audi 100 wird in vier Baureihen hergestellt, die vierte Serie heißt seit 1994 schlicht A6, genauso auch die Nachfolger.
1968 – der Hundeknochen aus England
Er soll der Nachfolger des 12M sein. Die Ford-Konzernspitze in Detroit beschließt, dass die Werke in Deutschland und England enger zusammenarbeiten sollen. Capri, Transit, Consul/Granada oder auch Escort sind die Zeichen dieser nicht immer einfachen Verbindung. Der Escort entsteht zum Beispiel zunächst komplett in England und ist sowohl bei Ford Köln als auch bei den Deutschen beim Verkaufstart nicht beliebt. Das liegt nicht an dem markanten Kühlergrill, der dem Auto den Spitznamen „Hundeknochen“ beschert – sondern an den wenig durchzugsfreudigen Motoren und an der hinteren Starrachse. Erst, als der Escort für Rennen und Rallyes optimiert wird, zeigt sich sein Potential. Der „Begleiter“, so die Übersetzung des Namens, wird zum Erfolg in der unteren Mittelklasse. 1998 wird der Escort vom Focus abgelöst – bis dahin entstehen Baureihen, die schlicht „‚68“, „‚75“, „‚81“, „‚86“, „‚91“, „‚93“ und „‚95“ heißen.
Bildnachweise
- Lamborghini Museo
- 123ignition.de
- Fahrzeugbilder.de
- DeAcademic
- Ford Press UK